Folgender Text wurde am 13. August 2014 beim Solidaritäts-Event für Repressionsbetroffene „Josef erlesen“ vorgetragen.

1

2. Mai 1995 Peter Sarközi, Josef Simon und Karl und Edwin Horvath sterben in Oberwart bei der Detonation einer Rohrbombe die an einem Schild mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ befestigt war.
Oktober 1995 Bei einer Briefbombenserie von Franz Fuchs werden ein aus Syrien stammender Arzt und die Flüchtlingshelferin Maria Loley verletzt.
Juli 1996 Finanzplaner Fred Onduri muss sich bei einer Festnahme wegen fehlenden Ausweises ausziehen und einer Rektaluntersuchung unterziehen lassen. Er zeigt die Polizisten wegen Körperverletzung an und beschwert sich – ohne Erfolg – über diskriminierende Behandlung.
19. Februar 1999 Ahmed F. erstickt bei einer Drogenkontrolle in Wien an einer Drogenkugel. Laut MenschenrechtlerInnen haben Polizisten seinen Hals zugedrückt, um zu verhindern, dass er diese schluckt. ZeugInnen sprechen von 20-minütigem Prügeln.
1. Mai 1999 Während einer Abschiebung nach Bulgarien stirbt Marcus Omofuma im Flugzeug, weil sein Mund verklebt wurde. Die beteiligten Polizisten werden zu je acht Monaten bedingter Haft verurteilt.
4. Mai 2000 Nach mehreren Tagen Haft und Misshandlung stirbt Arise „Richard“ Ibekwe laut offiziellen Angaben an einer Überdosis in seiner Zelle in Wien.
14. Juni 2003 Cheibani Wague stirbt von sechs Polizisten am Boden fixiert, geschlagen und unter Wirkung eines starken Neuroleptikums nach einer Kulturveranstaltung in Wien. An seinem Tod sind sechs Polizisten, drei Sanitäter und ein Notarzt beteiligt. Am 9 November 2005 wird ein Großteil der Angeklagten freigesprochen. 2007 bestätigt der Berufungssenat am OLG die Sprüche der ersten Instanz, senkt aber das Strafmaß für den schuldig gesprochenen Polizisten: er habe sich schulungskonform verhalten.
1. Juli 2004 Nach offiziellen Angaben stirbt Edwin Ndupu an einer Fettembolie nach selbstzugefügten Verletzungen. Medien und Politiker*innen schließen eine Einsetzung von Tränengas in geschlossenen Räumen nicht aus. Die Beamten bekommen eine Entschädigung von 2000 Euro, weil sie mit dem Blut des HIV-Infizierten in Kontakt kamen.
14. April 2005 Dr. Di-tutu Bukassa, Österreicher aus der Demokratischen Republik Kongo und Menschenrechtsaktivist, wird am Wiener Naschmarkt von sechs jungen Neonazis verprügelt. Er muss danach zwei Tage im Wiener AKH verbringen.
5. Oktober 2005 Nach sieben Tagen Hungerstreik stirbt Yankuba Ceesay im Haltezentrum in Linz. Die offizielle Todesursache ist Herzversagen, Ceesay sei aber noch kurz vor seinem Tod „aggressiv“ gewesen.
7. April 2006 Als Bakary J. nicht abgeschoben werden kann, bringen ihn Polizisten der Spezialeinheit Wega in eine Lagerhalle und misshandeln ihn dort schwer.
23. Dezember 2006 Laut Polizei springt Essay Touray bei einer Personenkontrolle in den Donaukanal in Wien. Zeugen sprechen von anderen Umständen. Am 25. Jänner 2007 wird seine Leiche in der Donau gefunden.
Juni 2008 Bei einem Brandanschlag auf ein Asylwerberheim auf der Saualm springen Menschen aus den Fenstern, ein Mann stirbt dabei. 19 werden verletzt. Der Flüchtlingsreferent des Landes Kärnten und der Heimbetreiber werden von fahrlässiger Gemeingefährdung freigesprochen. Ein Gutachten sprach von tragischem Resultat aufgrund „afrikanischen Fluchtverhaltens“.
11. Februar 2009 Der schwarze Lehrer Mike Brennan wird in der Wiener Ubahnlinie U4 von Polizisten aufgrund einer Verwechslung mit einem Drogendealer geschlagen. Im Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus werden Nacken- und Lendenwirbelprellung sowie eine Stauchung der Handgelenke festgestellt.
11. September 2010 Bei einem Sprengstoffattentat auf ein Asylwerberheim im Grazer Bezirk Puntigam wird eine Person leicht verletzt.
22. Dezember 2011 Johnson Okpara springt während eines Verhörs aus dem Fenster der Jugendstrafanstalt Erdberg und stirbt.
26. Jänner 2013 Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Vorarlberg. Zwei Männer werden wegen versuchter Brandstiftung zu 7500 und 4500 Euro Strafe und jeweils zwölf und sieben Monaten bedingter Haft verurteilt. Die Täter hatten zuvor eine Party besucht und gehörten der Vorarlberger Neonazi-Szene an.
Juli 2013 Acht Flüchtlinge aus dem Umfeld des Wiener Refugeeprotests werden festgenommen und der Schlepperei bezichtigt. Innenministerin und Bundeskriminalamt sprechen im Wahlkampf von einem Schlepperring mit mindestens 3 Millionen Euro Umsatz. Nach einem halben Jahr Gerichtsverhandlungen fehlen hierfür immer noch jegliche Beweise, die höchste im Prozess besprochene Geldsumme ist 200€.

2

Auf der Rückbank liegt das Kind schlafend auf dem Schoß der Mutter. Ihr zärtlicher Blick wird unterbrochen von einer Laus, die dem Mädchen über die Wange läuft. Die Mutter zuckt kurz auf, ekelt sich. Aber sie beherrscht sich, bewegt sich nicht, um das erschöpft mit offenem Mund schlafende Kind nicht zu wecken. „Ein Souvenir aus dem Flüchtlingslager“, denkt die Mutter. Im Auto wird nicht geredet. Es sind die lezten Kilometer vor der Grenze. Die Fahrerin versucht, einen zuversichtlichen Eindruck zu machen, aber die Sehnen an ihren Handgelenken verraten ihre Anspannung. Gleich, gleich die Grenze. Die Hügel brechen auf das Sichtfeld herein, die Kulisse verlangsamt sich, windet sich fischäugig davon. Sand, Sand in den Kehlen, Sand in den Ohren, zwischen den Fingern. Dann: Die Fahrerin wird durchgewunken – Diplomat*innenkennzeichen.

Der Vater wartet auf der anderen Seite der Grenze. Er war mit einem grimmigen, ihm unbekannten Mann mit Fähren, über Inseln un…